Notiert in Mailand: Metropole der Gemüsegärten

Börsen-Zeitung, 3.3.2011

Die luftverschmutzte Finanzmetropole Mailand ist alles andere als eine grüne Stadt. Im Hinblick auf die Weltausstellung 2015 will die Stadt deshalb ihr Image ändern. Das bestehende Grün soll vernetzt und Tausende von Bäumen sollen gepflanzt werden. Der Grund für das neu erwachte Öko-Interesse ist – wie könnte es in Mailand auch anders sein – kommerzieller Natur. Denn zur Weltausstellung Expo 2015 will sich Mailand als “grüne Stadt” präsentieren. Nicht mehr Piazza Affari, wie die Mailänder Börse genannt wird, sondern Gemüsegärten werden zum neuen Symbol der Stadt.
Mailand soll auch zum innovativen Versuchslabor der urbanen Landwirtschaft avancieren. Tatsächlich gibt es in Mailand bereits eine beachtliche Anzahl von Nutzgärten (400 auf einer Gesamtfläche von 28 000 qm). Das Motto der Weltausstellung heißt “Den Planeten ernähren, Energie fürs Leben”. Darum ist das neue Markenzeichen Mailands für die Zukunft ein planetarer Nutzgarten: Symbol für urbane Landwirtschaft und Gartenbau.
Am Stadtrand von Mailand werden derzeit bereits 90 000 Bäume gepflanzt. Das ist das Honorar, welches Stardirigent Claudio Abbado forderte, um nach jahrzehntelanger Abstinenz wieder an der Mailänder Scala zu dirigieren. Ursprünglich wollte der Mailänder Dirigent für sein Comeback die Bäume im Stadtkern pflanzen lassen. Aber die Architektenlobby hatte ihn überzeugt. Widerstand gegen zu viel Grün am Dom- oder Börsenplatz kam auch von Bürgermeisterin Letizia Moratti. Schließlich kostet ein Baum im Zentrum bis zu 10 000 Euro, an der Peripherie nur die Hälfte.
Als erste italienische Stadt hat sich Mailand auch der “Green-City-Bewegung ” angeschlossen. Vorsitzender des Wissenschaftsrats von “Green City” ist ein Wahlmailänder, der in Deutschland geborene Architekt Andreas Kipar. Er hat auch ein Projekt der “grünen Visionen” für Mailand entwickelt und fördert unter anderem die acht grünen Strahlen, die “Raggi Verdi”. Es handelt sich um eine Vernetzung der Freiräume am Stadtrand mit dem Zentrum. Das Modell fördert ein Netz langsamer Mobilität für das gesamte Mailänder Freiraumsystem. Die acht “Raggi Verdi” führen von der Stadtmitte ins Umland, auf einem grünen Ring, der in Zukunft von einem 72 km langen Fuß- und Radweg begleitet wird. Das neue Freiraumsystem verbindet auch die stillgelegten Produktionsstätten von Pirelli, Alfa Romeo, Maserati und Fiat. Die Industriestadt Mailand gehört der Vergangenheit an. Auch die Elite-Fachschule Bocconi wird dem neuen Trend gerecht. Blockseminare und Kurse für alternatives Management finden wachsenden Zuspruch.
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Jeder gegen jeden. Das ist nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft derzeit Mode. Beim größten Versicherer des Landes, Assicurazioni Generali, hat sich nun Großaktionär und Luxusschuhunternehmer Diego Della Valle gegen die Führung des 80-jährigen Präsidenten Cesare Geronzi gestellt. Geronzi solle lieber über seine Pension als über etwaige Investitionspläne von Generali nachdenken, meinte Della Valle. Grund für den Aufruhr ist auch, dass der mit allen politischen Wassern gewaschene Generali-Präsident in einem Interview mit der “Financial Times” seine Investitionspläne bekannt gab. Generali soll nicht nur das umstrittene Hängebrückenprojekt von Messina (das Sizilien mit Kalabrien verbindet) mitfinanzieren. Der Versicherer aus Triest soll sich künftig auch an Banken beteiligen und das “System Italien” fördern.
Die Investitionspl äne stimmen aber so gar nicht mit jenen des Verwaltungsrats überein. Dieser hat bereits seit Monaten eine rentablere Investitionspolitik angedeutet. In einer kürzlich einberufenen Sondersitzung hat der Verwaltungsrat übrigens beschlossen, dass einzig Generali-CEO Giovanni Perissinotto künftig für die Investitionsentscheidungen zuständig ist. Eine Schlappe für Geronzi, zumal mit Leonardo Del Vecchio ein weiterer Großaktionär aus Protest gegen die Investitionspolitik seinen Posten niedergelegt hat. Verkaufen will er seine Anteile, das sind knapp 2 %, aber erst, wenn die Aktienkurse wieder steigen. Bei Generali ist derzeit ein regelrechter Machtkampf im Gange. Ob dabei der Shareholder Value gewahrt bleibt, ist fraglich.

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